Stofftiere

Stofftiere sind ein feines Spielzeug. Es gibt sie überall, in unzähligen Darreichungsformen und in jeder Preisklasse. Gleichzeitig sind sie vielseitig einsetzbar. Sei es als Spielkamerad, Kopfkissenersatz oder als Wurfgeschoss zur Abwehr nervender Geschwister.

So hat sich im Laufe der Jahre in unserem Haus eine Sammlung an Stofftieren zusammengefunden. Eine Sammlung? Eher eine Herde – eine große Herde, quasi ein Zoo angeschlossen an einen Wildpark. Wenn ich unsere Stofftiere sehe, fällt mir dir Arche Noah ein. Obwohl, auf der Arche gab es von jeder Sorte nur zwei Exemplare.

Ja, ich gestehe! Wir sind Betreiber einer Stoffmassentierhaltung! Artgerechte Haltung? Fehlanzeige! Zumindest aber gibt es bei uns keine Käfighaltung, denn wann werden Stofftiere schon mal in den Schrank geräumt. Aber auch von Bodenhaltung kann man nicht wirklich sprechen, türmen sich die Tiere doch regelmäßig zu Bergen auf, die man besser nicht ohne Atemmaske besteigt. (Die Atemmaske braucht man, falls sich in den Berg mal wieder alte Socken verirrt haben, nicht wegen der Höhe. Wir wollen ja nicht übertreiben).

Auch lange Viehtransporte gibt es in der Massenstofftierhaltung leider immer wieder: „Kann ich meine Stofftiere mit in den Urlaub nehmen?“

„Nein, unser Auto hat keine Anhängerkupplung.“
„Was ist mit dem Dachgepäckträger?“
„Da muss schon der Kleiderschrank deiner Schwester rein.“
„Aber wir fahren doch nur ein Wochenende.“
„Ja, aber sie ist Teenager.“

Zurück zu den Stofftieren: Stets am Abend müssen die Stofftiere mit ins Bett, damit Kind des Nachts nicht so alleine ist: „Papa, hilfst Du mir noch, die Stofftiere ins Bett zu räumen?“

„Ja klar, ich hole die Schubkarre.“

Wer jetzt aber glaubt, in der Massenstofftierhaltung verkäme jedes Tier zu einer seelenlosen Nummer, der irrt. Neulich wollte ich Kind 4 ins Bett bringen.

Die Tochter spielt mit einem Rudel Tiere unterm Schreibtisch, als ich in ihr Zimmer komme.

„Zeit zum Schlafengehen“, rufe ich. Keine Reaktion, Kind spielt weiter.  Unter der Bettdecke wölbt sich der übliche Stofftierberg mit dem Profil des Matterhorns. Ich schlage die Bettdecke zurück und fange routiniert die Stofftierlawine auf, die sich über das Kopfkissen ergießt.

„Zweiter Aufruf, Bett-Zeit“, versuche ich mein Glück erneut.

Tochter schaut auf. Sie blickt kurz aber gelangweilt in Richtung Bett: „Ich komme erst, wenn die zwei Stofftiere wieder da sind!“, brummt sie und spielt weiter.

Irritiert blicke ich auf das Bett. Die Lawine ist zum Stillstand gekommen, die Tiere verteilen sich nun gleichmäßig vom Kopfkissen bis zum Fußende.

„Welche zwei Stofftiere?“, frage ich vorsichtig.

„Susi und Goldi“, brummt es vom Schreibtisch. „Ich komme erst, wenn die wieder da sind.“

Noch einmal schaue ich auf das Bett. Die Decke ist heruntergerutscht, als die Lawine sich ihren Weg zum Kopfkissen bahnte. Ich hebe die Decke hoch. Darunter liegen einsam zwei einzelne Stofftiere: ein Fisch und ein kleiner Hund.

Ich hebe Susi und Goldi auf und lege sie neben das Kopfkissen. Tochter schlurft an mir vorbei und legt sich ohne weiteren Kommentar in ihr Bett.

„Schlaf gut, mein Kind“, sage ich, während ich sie zudecke. „Hast Du eigentlich deine dreckigen Klamotten in die Waschküche gebracht?“

„Klamotten? Habe ich keine gesehen“, entgegnet die Tochter, kuschelt sich in ihre Stofftiere, schließt die Augen und ist auch schon eingeschlafen.

Klamotten hat sie keine gesehen. Ich sammle die Wäsche von ihrem Fußboden auf, staple sie in der Schubkarre, die noch neben ihrem Bett steht und fahre sie in die Waschküche. Ich muss zweimal fahren.

Während ich die Waschmaschine anschmeiße, beschließe ich, Origami zu lernen. Dann kann ich aus der Wäsche Schwäne, Drachen und Hunde falten. Ich bin sicher, die Tochter würde sie dann nicht mehr übersehen…